Mysterium, Wahrzeichen, 3D-Modell: Das Carnuntiner Heidentor im Wandel der Zeit
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer
Das sogenannte Heidentor in Carnuntum zählt zu den bedeutsamsten Monumenten entlang des österreichischen Donaulimes und dient als Wahrzeichen der antiken Stadt, der gesamten Region sowie auch als Symbol des römischen Erbes in Österreich. Seine Geschichte und Bedeutung erstrecken sich über Jahrhunderte, während sich sein Erscheinungsbild im Laufe der Zeit stark gewandelt hat.
Etwa einen Kilometer südlich der Zivilstadt Carnuntums gelegen, entstand das Heidentor vermutlich während der Regierungszeit von Kaiser Constantius II. in der Mitte des 4. Jahrhunderts. Zahlreiche Fundmünzen und wiederverwendete Weihaltäre legen dies nahe. Im Mittelalter als "heydnisch Tor" bezeichnet, aufgrund der damaligen Vorstellung, dass alles Römische heidnisch (= nicht christlich) sei, wurde es sogar als das Grabmal eines Riesen angesehen. Tatsächlich handelt es sich jedoch ursprünglich um ein viertoriges Bauwerk (lat. quadrifrons, „Viertor“). Sprich anders als in seiner heutigen Erscheinungsform hatte das ursprüngliche „Heidentor“ vier Pfeiler (und damit auch vier Portale). Dessen Seitenlänge betrug etwa 15 Meter, die Höhe könnte bis zu 5 Meter erreicht haben. Die genaue Funktion des Tores als Triumphmonument oder Standortkennzeichnung Carnuntums ist bis heute nicht vollständig geklärt.
Trotz seiner Einzigartigkeit als römische Ruine wurde das Heidentor über viele Jahrzehnte hinweg in der Forschung vernachlässigt und erst zwischen 1998 und 2001 eingehend untersucht. Eine Rundsockel in der Mitte des Bauwerks könnte möglicherweise als Basis für eine Statue gedient haben, es konnten aber keine entsprechenden Reste gefunden werden. Auch die Deutung als Ausgangspunkt für die Provinzvermessung mit der groma, einem römischen Messinstrument, ist nicht gesichert. Die genaue Beziehung des Heidentors zu den Straßenverbindungen und Vermessungsachsen in der Umgebung von Carnuntum bleibt rätselhaft, da die Verbindungen nach Süden und Norden etwa 50 bis 100 m weiter östlich verlaufen. Die exakte Ausrichtung des Heidentors nach den Himmelsrichtungen wirft ebenfalls Fragen auf.
Die archäologischen Untersuchungen am Heidentor Ende der 1990er Jahre markierten einen Meilenstein in seiner Forschungsgeschichte. Aufgrund des Steinraubs bis ins 20. Jahrhundert hinein und zahlreicher Restaurierungsmaßnahmen, zuletzt im Jahr 2023, hat sich das äußere Erscheinungsbild des Denkmals erheblich verändert. Obwohl das, was heute zu sehen ist, kaum noch als antike Originalstruktur bezeichnet werden kann, wurden während der restauratorischen Analysen interessante Details freigelegt, wie Spuren von Ocker, Blau und Purpur, die auf eine einstige Bemalung hinweisen.
Um den Wandel des denkmalgeschützten Monuments zu dokumentieren, seit 2021 auch Teil des UNESCO-Welterbe, wurde das Heidentor kürzlich Teil der EU-Kampagne "Twin it!" der Europeana. Das Projekt der europäischen Kulturministerien sowie nationaler Kultureinrichtungen zielt darauf ab, hochwertige 3D-Digitalisierungen von symbolträchtigen materiellen Kulturgütern umzusetzen und so hohe Qualitätsstandards in der dreidimensionalen Dokumentation von Bauwerken und Denkmälern zu etablieren.
Im Rahmen dieses europaweiten Projekts wird das Heidentor in drei historischen Epochen rekonstruiert: um 1840, um 1907 und im aktuellen Zustand. Diese Modelle ermöglichen es, die Veränderungen des Denkmals im Laufe der Zeit zu dokumentieren und einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Durch hochpräzise Drohnen- und photogrammetrische Aufnahmen sowie die Verwendung von GPS-Technologie wird eine genaue Vermessung und Rekonstruktion ermöglicht und für kommende Generationen festgehalten.