Der Jupiter-Dolichenus-Kult in Carnuntum – Begegnung von Orient und Okzident

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer

Religion ist heute wie in der Antike ein Kulturträger, der den Gläubigen neben dem eigentlichen Ritus eine Fülle von Gepflogenheiten und Verhaltensregeln vermittelt. Gerade diese Konventionen halfen den Menschen der Antike sich auch abseits ihrer ursprünglichen Heimat zurechtzufinden, eine Funktion die Religion auch heute noch für viele Menschen übernimmt.

Im Römischen Reich war der Kult des Jupiter Dolichenus ein eindrucksvolles Beispiel für die Verschmelzung orientalischer und römischer Glaubensvorstellungen. Dieser Mysterienkult hatte seinen Ursprung in Doliche (heute Dülük in der Türkei) in der römischen Provinz Syria, wo der semitische Wettergott Hadad verehrt wurde. Als die Römer 30 v. Chr. das Königreich Kommagene übernahmen, wurde Hadad dem römischen Gott Jupiter gleichgestellt, woraus sich der Kult des Jupiter Dolichenus entwickelte. Der Gott wurde als mächtige Gestalt dargestellt – ein bärtiger Gott, der auf einem Stier steht, bewaffnet mit Blitzbündeln und der Doppelaxt, Zeichen seiner Herrschaft über Himmel und Wetter. 

© NÖ Landessammlungen

Applik des Jupiter Dolichenus auf Stier - © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum (Foto: N.Gail)

Die als Flachrelief gearbeitete Figur des Jupiter Dolichenus steht auf einem nach links trabenden Stier. Er trägt über einem langärmeligen, kurzen Untergewand das Feldherrnkostüm mit Muskelpanzer und Leibgurt. Auf dem bärtigen, gelockten Haupt sitzt die phrygische Mütze. In der gesenkten Linken hält er das Blitzbündel, in der erhobenen Rechten sind noch die Reste der heute nicht mehr erhaltenen Doppelaxt erkennbar. Die Figur war ursprünglich im Zentrum einer Dreieckstafel aus Metall angebracht. 

Besonders das römische Militär spielte eine zentrale Rolle bei der Verbreitung dieses Kultes. Soldaten brachten den Glauben an Jupiter Dolichenus in die militärischen Grenzgebiete, etwa an die Donau und den Rhein und bis nach Britannien und Nordafrika. Die militärische Prägung des Kultes zeigt sich auch in der Darstellung des Gottes in der Rüstung eines römischen Feldherrn mit Panzer und Mantel. Auffällig ist dabei, dass dieser Mysterienkult, anders als der Mithraskult, auch Frauen miteinbezog. Diese durften den Kult als Anhängerinnen der Iuno Regina, der Gemahlin Jupiters, ausüben.

Ein bedeutendes Zentrum des Jupiter-Dolichenus-Kultes im römischen Reich war Carnuntum, als strategischer Außenposten an der Donaugrenze neue Heimat für viele Soldaten aus allen Provinzen des Imperiums. Auf der sogenannten Pfaffenbrunnwiese in Petronell, entdeckte man 1891 einen Tempel und ein dazugehöriges Vereinshaus, in dem die Mitglieder des Kultes zusammenkamen. Diese Fundstätte zählt zu den wichtigsten archäologischen Entdeckungen des Jupiter-Dolichenus-Kultes. Das Heiligtum, das Teil eines größeren, von einer Mauer umgebenen Kultbezirks war, enthielt beeindruckende Relikte, darunter eine marmorne Statue des Gottes und zahlreiche Weihegaben.

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Statue des Jupiter Dolichenus, Fundort Pfaffenbrunnwiese - © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum (Foto: N.Gail)

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Altarförmige Basis für Dolichenusstatue - © Landessammlungen NÖ, Archäologischer Park Carnuntum (Foto: N.Gail)

In Carnuntum ist die Verehrung des Jupiter Dolichenus schon seit der Zeit Kaiser Hadrians (117–138 n. Chr.) belegt. Eine Inschrift auf dem Pfaffenberg weist darauf hin, dass es hier bereits früh eine blühende Kultgemeinde gab, die sogar über einen eigenen Jugendbund (iuventus colens Iovem Dolichenum) verfügte:

Pro sal(ute) Imp(eratoris) C/aes(aris) Tra(iani) Hadri(ani)
Aug(usti) / p(atris) p(atriae) porta(m) et muru(m) per / pedes
lon(gum) C altu(m) p(edes) VII / iuvent(us) colens Iove(m)
Doli/chen(um) inpe(n)sa sua fec(it)

„Zum Heile des Imperators Caesar Traianus Hadrianus Augustus, Vaters des Vaterlandes, hat der Jugendbund des Jupiter Dolichenus-Kultes (von Carnuntum) das Eingangstor und die Mauer von 100 Fuß Länge und 7 Fuß Höhe aus eigenen Mitteln errichten lassen.“ (AE 1936, 132)

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Diese Gemeinschaft, bestehend aus einer Priesterschaft und Kultpersonal, hielt regelmäßig religiöse Zeremonien und gemeinsame Kultmahlzeiten ab, um den Gott zu ehren. Mit der Zerstörung Doliches durch die Perser im Jahr 253 n. Chr. begann der Niedergang des Kultes. Trotzdem bleibt der Jupiter-Dolichenus-Kult ein Sinnbild für die religiöse und kulturelle Vielfalt, die das römische Reich prägte, und zeigt, wie religiöse Traditionen über Kontinente hinweg adaptiert und verbreitet wurden. Besonders Carnuntum bietet ein beeindruckendes Zeugnis für diese kulturelle Verschmelzung und die Bedeutung orientalischer Götter in den westlichen Provinzen des Römischen Reiches.

Tipp: Am kommenden Mittwoch um 19:00 Uhr findet in der Römerstadt Carnuntum ein Vortrag zum Thema "FORSCHUNGEN IN DER HEIMAT DES JUPITER DOLICHENUS - Die Stadtgrabung in Doliche" statt. Der Vortrag ist für Mitglieder kostenlos, ansonsten wird ein Unkostenbeitrag von 4,- Euro fällig. 

Für weitere Artikel zur römischen Geschichte, einfach auf der Seite unseres Wissenschaftsmagazins vorbeischauen! 

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