Wissenschaft

Marc Aurel in Carnuntum: Ein Kaiser zwischen Krieg und Philosophie

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer

Kaiser Marc Aurel – in und um Carnuntum begegnet man immer wieder dem Namen dieses bedeutenden römischen Herrschers, ob in Form von Statuen und Denkmälern, oder im Namen von Gasthäusern, Straßen oder gar Kasernen.. Als römischer Staatsmann und Philosoph verbrachte Marcus Aurelius einen wesentlichen Teil seiner Regierungszeit mit militärischen Feldzügen an den Grenzen des Imperiums. Besonders prägend war seine Verbindung zu Carnuntum: Hier schlug er während der Markomannenkriege zwischen 166 und 180 n. Chr. sein Hauptquartier auf und verfasste zentrale Teile seines philosophischen Werkes „Selbstbetrachtungen“.

Leben und Herrschaft

Marc Aurel wurde am 26. April 121 n. Chr. in Rom als Marcus Annius Catilius Severus geboren. Seine Familie gehörte zu einer wohlhabenden und einflussreichen senatorischen Elite hispanischer Herkunft. Schon früh wurde er von Kaiser Hadrian gefördert und später von Antoninus Pius adoptiert, wodurch er zum Thronfolger avancierte – für diese Zeit des „Adoptivkaisertums“ ein üblicher Vorgang. 161 n. Chr. bestieg er den Kaiserthron, herrschte jedoch in der Form einer Doppelherrschaft gemeinsam mit seinem Adoptivbruder Lucius Verus. Nach dem Tod seines Mitregenten 169 n. Chr., womöglich an der sogenannten Antoninischen Pest, regierte er allein. Marc Aurels Herrschaft war geprägt von zahlreichen militärischen Konflikten, insbesondere den erwähnten Markomannenkriegen, die ihn über Jahre hinweg an die nördliche Grenze des Reiches – allen voran an Carnuntum – banden. Die Markomannen waren ein germanischer Stamm der Sueben, der sich unter König Marbod um 9 v. Chr. in Böhmen niederließ und immer wieder in Konflikte mit Rom geriet.

Parallel zu den zahlreichen Feldzügen setzte sich Marc Aurel für eine „humanere“ Gesetzgebung ein und hinterließ mit seinen „Selbstbetrachtungen“ bedeutende philosophische Schriften. Nach Jahren intensiver militärischer Auseinandersetzungen verließ Marc Aurel, bereits gesundheitlich geschwächt, Carnuntum. Zwar gelang es ihm, die Feinde zurückzudrängen, doch die Pläne zur dauerhaften Expansion der römischen Herrschaft nördlich der Donau wurden durch seinen Tod vereitelt. Er verstarb 180 n. Chr. entweder in Vindobona/Wien oder in Sirmium/Sremska Mitrovica im heutigen Serbien, wie schon sein Mitregent Lucius Verus, womöglich an den Folgen der im Reich wütenden „Antoninischen Pest“. Sein Tod markierte das Ende der Ära der Adoptivkaiser, da sein leiblicher Sohn Commodus als direkter Erbe die Nachfolge antrat.

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Porträt des Marc Aurel - © Römerstadt Carnuntum (Foto: T. Mauerhofer)

Carnuntum als militärisches und philosophisches Zentrum

Carnuntum war bereits Mitte des 2. Jahrhunderts n. Chr. ein bedeutender Legionsstandort und Handelsplatz. Aufgrund seiner strategisch günstigen Lage diente es als idealer Stützpunkt für die römischen Gegenoffensiven gegen die 166/167 n. Chr. ins Imperium eingefallenen germanischen Markomannen und Quaden. Nachdem diese Stämme römisches Gebiet überrannt hatten, begab sich Marc Aurel 171 n. Chr. persönlich an die Front. Er nutzte Carnuntum als militärisches Zentrum zur Organisation der Verteidigung der römischen Nordgrenze und zur Koordination der Gegenangriffe. Drei Jahre verbrachte er hier und leitete von dieser strategischen Position aus die römischen Militäroperationen.

Ingenti ergo labore et moderatione, cum apud Carnuntum iugi triennio perseverasset, bellum Marcomannicum confecit, […] Romae rursus cum Commodo Antonino, filio suo, quem iam Caesarem fecerat, triumphavit.
(Eutropius, Breviarium ab urbe condita Liber 8, 13)

Mit Anstrengungen und Klugheit beendete der Kaiser den markomannischen Krieg, nachdem er drei Jahre lang ununterbrochen bei Carnuntum verweilt hatte. […]
Dann hielt er in Rom mit seinem Sohn, Commodus Antoninus, den er schon zum Caesar erklärt hatte, einen Triumph.

Neben seiner militärischen Rolle wurde Carnuntum jedoch auch zu einem Ort intellektueller Reflexion. Während seiner Zeit im Feldlager verfasste Marc Aurel das zweite Buch seiner zur antiken griechischen Philosophieschule des Stoizismus gehörigen „Selbstbetrachtungen“ – heute eine der bedeutendsten erhaltenen Schriften der Antike. Die in griechischer Sprache verfassten Gedanken zeigen ihn als einen Herrscher, der inmitten des Krieges über Moral, Pflicht und die menschliche Natur sinniert. Die Ortsangabe „in Carnuntum“ am Ende dieses Buches verdeutlicht, dass er hier nicht nur als Feldherr, sondern auch als Philosoph wirkte.

Das Regenwunder und die Markomannenkriege

Ein besonders berühmtes Ereignis aus den Markomannenkriegen, das mit Marc Aurel in Verbindung gebracht wird, ist das sogenannte Regenwunder. Antike Quellen berichten, dass römische Soldaten während eines Gefechts im Land der Quaden jenseits der Donau von feindlichen Truppen eingeschlossen und vom Nachschub abgeschnitten waren. In größter Not habe ein plötzlich einsetzender Gewitterregen die Römer vor dem Verdursten gerettet und ihnen zum Sieg verholfen. Auf der Marc-Aurel-Säule in Rom ist dieses Ereignis in einem Relief dargestellt: Ein bärtiger Mann mit ausgebreiteten Armen spendet den erschöpften Soldaten unter ihm Wasser. Die Interpretation des Wunders war umstritten – während heidnische Autoren es als Zeichen göttlichen Wohlwollens gegenüber Marc Aurel sahen, betrachteten christliche Quellen es als Antwort auf die Gebete christlicher Soldaten. Das Ereignis verdeutlicht die religiöse Vielfalt und die wachsende Bedeutung des Christentums im römischen Heer. In der Forschung wird das Regenwunder daher als einer der frühesten Hinweise auf die Anwesenheit von Christen im österreichischen Raum diskutiert.

  • © Landessammlungen
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Denar des Marc Aurel - © Niederösterreichische Landessammlungen

Die kaiserliche Präsenz und die sakrale Bedeutung Carnuntums

Marc Aurels Anwesenheit in Carnuntum verstärkte auch dessen Bedeutung als religiöses Zentrum. Als „Philosoph auf dem Kaiserthron“ war er mit zahlreichen religiösen Fragen konfrontiert. Während er den Kult traditioneller römischer Gottheiten stärkte, zeigte er auch Interesse an orientalischen Kulten, insbesondere dem des ägyptischen Gottes Serapis. Auch Spuren seiner Familie sind in Carnuntum nachweisbar: Seine Ehefrau Faustina die Jüngere reiste mit ihrem Sohn Commodus und dessen Frau an die Front. Ihr Kammerdiener Hyacintus verstarb hier, wie eine Grabinschrift bezeugt. Faustina selbst wurde von den Truppen als „mater castrorum“ (Mutter des Lagers) verehrt, was ihre herausragende Stellung unterstreicht. Ihre Mutterrolle dürfte dabei symbolisch zu verstehen sein und sich auf die Heerlager als „Heimat“ der Soldaten beziehen.

Marc Aurels Vermächtnis

Die Bedeutung Carnuntums als kaiserliche Residenz blieb nach dem Tod Marc Aurels bestehen – spätere Herrscher, darunter die Severer, nutzten die Stadt weiterhin als Stützpunkt. Noch heute zeugen archäologische Funde, Inschriften und Bauwerke von der zentralen Rolle, die Carnuntum in der römischen Geschichte spielte und besonders Marc Aurel bleibt als „Philosophenkaiser“ unvergessen. In Carnuntum verband sich sein militärisches Handeln mit seinem philosophischen Denken – ein Ort, an dem der Kriegsherr über die Vergänglichkeit der Macht und die Beständigkeit der Tugend reflektierte. Heute ziert seine Büste eine der Säulen vor dem Eingang des Museum Carnuntinum – wo er alle Besucherinnen und Besucher gewissermaßen auch heute noch persönlich empfängt.

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Statue des Marc Aurel in Bad Deutsch Altenburg - © Römerstadt Carnuntum (Foto: T. Mauerhofer)

Für alle Marc Aurel-Begeisterten bietet sich heuer eine besondere Gelegenheit: im Rheinischen Landesmuseum Trier findet von 15.06. – 23.11.2025 die Landesausstellung “Marc Aurel” statt - mit dabei auch einige Exponate aus Carnuntum!

Literatur: 

M. Kandler, Marc Aurel und Carnuntum, in: F. Humer (Hrsg.), Marc Aurel und Carnuntum. Ausstellungskatalog Bad Deutsch-Altenburg (St. Pölten 2004), 39–52.