Zeiten des Umbruchs: Carnuntum in der Spätantike

Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer
© RSV

Die Spätantike war für das Römische Reich eine bewegte Zeit, geprägt von tiefgreifenden Veränderungen und zahlreichen Herausforderungen. Ab der Mitte des 4. Jahrhunderts wurde das Römische Reich immer mehr von inneren Krisen und Auseinandersetzungen mit aus dem Osten und Norden eindringenden Gruppen erschüttert. Um diesen Angriffen standzuhalten, wurden die Grenzbefestigungen unter anderem im Abschnitt des österreichischen Donaulimes ein letztes Mal unter dem römischen Kaiser Valentinian I.  (364–375) nennenswert ausgebaut. 

Die Spätantike, wie die letzten Jahrhunderte des Weströmischen Reiches, war in Nachbetrachtung geprägt von vielen Kaisern, von denen nur den wenigsten lange Regierungszeiten vergönnt waren. Flavius Valentinianus, geboren 321 n. Chr. in Cibalae, dem heutigen Vinkovci in Kroatien, stieg aus einfachen Verhältnissen vom Soldaten zum Herrscher des Römischen Reiches auf. Seine militärische Karriere begann unter Kaiser Julian und führte ihn konsequent zu immer bedeutenderen Positionen. Nach dem Tod Julians wie auch des Kaisers Jovian wurde Valentinian 364 in Nicäa zum Kaiser ausgerufen. Er regierte das Westreich, stabilisierte die Grenzen und setzte sich für religiöse Toleranz ein. 

    Solidus des Valentinianus I., Datierung 364-367 n. Chr.

    Avers: D(ominus) N(oster) VALENTINI-ANVS P(ius) F(elix) AVG(ustus) Büste mit Perlendiadem, Paludament und Cürass nach rechts. 

    Revers: RESTITVTOR REI PVBLICAE, im Abschnitt.: MED Valentinian steht frontal, Kopf nach rechts gedreht, hält Vexillum mit Christogramm in der Rechten und Victoria auf Globus in der Linken.

    Valentinian I. widmete sich intensiv dem Grenzschutz und ließ Kastelle und burgi – stark befestigte Wachtürme – errichten bzw. weiter ausbauen. So war er auch für die Geschichte Carnuntums von besonderer Bedeutung. Was sich auch in einem Auftritt am diesjährigen Fest „Zeitreise Carnuntum“ widerspiegelt. Auch musste er gegen die germanischen Quaden, Markomannen und Sarmaten, eine der ältesten und hartnäckigsten Feinde Roms in diesen Breiten, vorgehen, die zu jener Zeit im Osten der Provinz Pannonien einfielen. Zur Vorbereitung für die Kämpfe hielt er sich im Jahre 374 in Carnuntum auf, was auch in der antiken Geschichtsschreibung überliefert ist: 

    Agens itaque apud Carnuntum imperator per continuos tres menses aestivos arma parabat et alimenta,… (Amm. 30, 5, 11)
    “Daher blieb der Kaiser (Valentinian) für drei Sommermonate in Carnuntum um Waffen und Vorräte vorzubereiten…“

    Als er während seines Feldzugs in die Stadt einzog, erwartete ihn laut dem spätantiken Autor Ammianus Marcellinus ein trauriger Anblick. Die einst blühende Stadt war verlassen und heruntergekommen:

    …comque exinde Carnuntum Illyriorum oppidum interoisset, desertum quindem nunc et squalens…. (Amm. 30, 5, 2)
    „Als er dann Carnuntum betrat, eine Stadt in der Präfektur Illyricum, die nun tatsächlich verlassen und in Trümmern lag, …“

    Gerade diese Darstellung aus der antiken Literatur hat auch unsere archäologische und historische Sicht auf Carnuntum im ausgehenden 4. Jahrhundert geprägt. Jedoch stellt sich die Frage, wie realitätsnah diese Beschreibung wirklich ist und ob sie für den Zustand Carnuntums und anderer spätantiker Städte repräsentativ ist. Fortschritte in der archäologischen Forschung bieten inzwischen neue Erkenntnisse. Trotz einer Umstrukturierung der Provinzverwaltung während der sog. Tetrarchie (der Herrschaft von vier Kaisern gleichzeitig) blieb Carnuntum ein bedeutendes militärisches Zentrum an der mittleren Donau - so waren laut dem militärischen Verwaltungshandbuch Notitia Dignitatum Legionstruppen und Flottensoldaten unter dem Kommando eines Präfekten in Carnuntum stationiert. 

    © NÖ Landessammlungen

    Bauinschrift, Datierung 374 oder 375 n. Chr.

    Die Nennung des Kaisers Valentinian mit seinem Bruder Valens und seinem Sohn Gratian auf dieser Bauinschrift ist ein Zeugnis für die Befestigungsarbeiten, die der Kaiser entlang des Limes durchführen ließ. Er hielt sich 374 oder 375 n. Chr. in Carnuntum auf, um einen Feldzug gegen die einfallenden Quaden und Markomannen vorzubereiten.

    [Salv]is ddd(ominis) nnn(ostris) Valentin[iano, Valente et] / [Grat]iano triumph(a)tori[bus semper Aug(ustis)] / [saluberri]ma dispositio[ne - - -] / [- - -]+TO COM[- - -] / …
    „Unseren erlauchten, triumphierenden Kaisern Valentinianus, Valens und Gratianus, auf allerhöchste Anordnung“

    Auch die Funktion der Militäranlagen der Stadt veränderte sich im Übergang zur Spätantike. Der Mauerring des Legionslagers wurde verstärkt, im Lager selbst wurden Umbauten durchgeführt, darunter die Installation von Fußbodenheizungen, die auf einen erhöhten Wohnkomfort hinweisen, womöglich in Reaktion zu einer sich anbahnenden Kaltzeit. Dieser Umbau datiert durch Keramik-, Klein- und Münzfunde in die Zeit nach 364 n. Chr; er dürfte somit zeitlich mit einem 1898 im Westen des Lagers entdeckten Inschriftfragment zu verbinden sein, das Bauarbeiten unter den Kaisern Valentinian I., Valens und Gratianus (367– 375 n. Chr.) dokumentiert, ohne dass sich allerdings nähere Angaben zum Bauvorhaben erhalten haben:

    Außerhalb des Legionslagers gab es unterschiedliche Entwicklungen. Das Auxiliarkastell wurde ab dem 3. Jahrhundert nicht mehr militärisch genutzt und verfiel. In den südlichen Randzonen der Canabae (Lagervorstadt) zeigen Funde aus dem späten 4. Jahrhundert eine Abnahme der Siedlungsaktivität, während in den östlichen Canabae neue Bautätigkeit erfolgte. 
    Die Zivilstadt Carnuntums selbst erlebte im späten 3. und frühen 4. Jahrhundert einen Wandel. Nach einem Erdbeben Mitte des 4. Jahrhunderts blieben viele Gebäude ungenutzt oder wurden nicht wieder aufgebaut. Gleichzeitig entstanden neue Gräberfelder und einige Gebäude wurden weiter genutzt, was auf eine verbleibende, aber schrumpfende Bevölkerung hinweist. Ein Beispiel hierfür ist das Heidentor, das wahrscheinlich nach dem Erdbeben errichtet wurde. Anhand der archäologischen Untersuchungen der letzten Jahrzehnte wie auch neuester Analysen ist zu sehen, dass die Stadt verkleinert wurde und teilweise verfiel, aber auch punktuelle Neuanpassungen und Umnutzungen wurden durchgeführt, was ein uneinheitliches Bild der Stadt in der Spätantike zeichnet. 

    © RSV

    Bis zum Ende der Regierungszeit Valentinians I herrschte im Reich weitgehend Frieden, ein Zustand, der sich mit der einsetzenden Migrationsbewegungen der Hunnen aus Zentralasien nach Westen dramatisch änderte. Die Quaden, Sarmaten und Goten wurden aus ihren Heimatgebieten vertrieben und forderten dauerhafte Siedlungsgebiete innerhalb des Römischen Reiches. 401 n. Chr. durchquerten die Westgoten unter der Führung von Alarich, Pannonien und 433 n. Chr. musste Rom bedeutende Teile dieser Provinz an die Hunnen abtreten, worunter schlussendlich auch Carnuntum betroffen war. Auch Valentinian nahm kein gutes Ende: Nach seiner Zeit in Carnuntum zog er ins Winterlager nach Brigetio (Komárom, Ungarn). Im Verlauf einer Verhandlung mit einer Gesandtschaft der Quaden geriet Valentinian derart in Zorn, dass er in Folge eines Schlaganfalls zusammenbrach und später verstarb. Ihm folgt sein vierjähriger Sohn Valentinian II auf den Thron, der von den Truppen zum Kaiser ernannt wurde, wie es zu jener Zeit oftmals üblich war. 

    Weiterführende Literatur zu diesem Text:

    C. Gugl, Carnuntum am Vorabend des Erdbebens - ein Überblick über die spätantike Siedlung im 4. Jahrhundert, in: A. Konecny – F. Humer – K. Decker (Hrsg.), Das Carnuntiner Erdbeben im Kontext. Akten des III. Internationalen Kolloquiums, 17.-18. Oktober 2013, Kulturfabrik Hainburg, Neue Forschungen / Archäologischer Park Carnuntum 14 (St. Pölten 2019) 42–55. https://www.carnuntum.at/de/carnuntinererbeben 

    G. Kremer – A. Pülz, A.D. 313 – Von Carnuntum zum Christentum, Acta Carnuntina 3,2, 2013 https://www.carnuntum.at/de/actacarnuntina322013 

    C. Gugl – F. Humer, Carnuntum in der Spätantike, in: F. Humer – A. Pülz – E. Pollhammer – G. Kremer (Hrsg.), A.D. 313. Von Carnuntum zum Christentum, Katalog des Niederösterreichischen Landesmuseums 517 (St. Pölten 2014) 34–44. 

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