Mord und Totschlag - Kriminalität im antiken Carnuntum
Ein Beitrag von Nisa Iduna Kirchengast - Redaktion: Daniel Kunc, Thomas Mauerhofer
Jetzt ist schon wieder was passiert. Diebstahl, Betrug, Geldwäsche, aber auch schwerere Verbrechen wie Raub und Mord gehören zu den zahlreichen Delikten, die nicht nur heute, sondern auch schon in römischer Zeit begangen wurden. Kriminalität war durchaus ein allgegenwärtiges Problem: Obwohl das Rechtssystem hoch entwickelt und für spätere Rechtsordnungen einflussreich war, gab es im Römischen Reich keine reguläre Polizei. Schutzmaßnahmen und Strafverfolgung lagen oft in privater Hand und wurden regional unterschiedlich gehandhabt.
Abgewinkelter Hebe-Schiebe-Schlüssel aus Bronze © Landessammlungen Niederösterreich
Eine Besonderheit war der weitverbreitete Einsatz architektonischer Schutzmaßnahmen, vor allem in den urbanen Zentren. Die Häuser der Oberschicht, oft nach innen orientierte Gebäudekomplexe, waren mit hohen Mauern, vergitterten Fenstern und verstärkten Türen ausgestattet. Damit sollte potenziellen Einbrechern der Zugang erschwert werden. In gefährlichen Zeiten wurden auch symbolische Schutzmaßnahmen wie Amulette oder Götterstatuetten eingesetzt, um böse Geister und Diebe abzuwehren.
Neben der Kleinkriminalität war die Falschmünzerei ein großes Problem, das das Vertrauen in das Währungssystem untergrub. Auch Glücksspiel und Betrug gehörten zur städtischen Kriminalität. Auf den Handelsrouten und in ländlichen Gebieten kam es hingegen häufig zu Wegelagerei und Piraterie. Räuberbanden bedrohten Reisende auf den Straßen, während Piraten die Meere unsicher machten. Diese Bedrohungen wurden zum Teil durch militärische Maßnahmen eingedämmt, doch blieben vor allem abgelegene Regionen oft schutzlos.
Die Strafverfolgung im römischen Reich war nicht zentralisiert und lag in den Provinzen meist in den Händen lokaler Magistrate oder des Militärs. Besonders in Grenzgebieten, wo die römische Kontrolle schwächer war, herrschte oft eine gewisse Rechtlosigkeit. Schwere Delikte wie Hochverrat, Mord oder Sklavenaufstände wurden jedoch streng geahndet, unter anderem durch Kreuzigung oder Enthauptung. Mildere Strafen wie Geldbußen, Verbannung oder Zwangsarbeit waren ebenfalls Teil des römischen Rechtssystems.
Rundes, büchsenförmiges Federschloss mit Holzresten im Inneren © Landessammlungen Niederösterreich
Ein besonderes Organ innerhalb des Militärs waren die beneficiarii, die neben militärischen auch zivile Aufgaben übernahmen, so waren diese Soldaten vor allem in der Verwaltung und Infrastruktur der Provinzen tätig. Sie überwachten den Warenverkehr, kümmerten sich um die Steuererhebung und hatten Verwaltungsaufgaben, die heute Polizei, Zoll- und Steuerbehörden übernehmen. Ihre Posten an wichtigen Verkehrsknotenpunkten waren oft für die Überwachung der öffentlichen Ordnung und die Bekämpfung der Kriminalität zuständig.
Ein weiteres Mittel der „Selbstjustiz“ waren Fluchtafeln (defixiones), mit denen die Römer Diebe verfluchten und gestohlene Gegenstände zurückforderten. Diese Tafeln, die auch Alltagsgegenstände wie Handschuhe oder Bratpfannen betrafen, zeugen von der alltäglichen Bedrohung durch Kleinkriminalität. Auch aus Carnuntum sind defixiones zu Diebstählen bekannt, wie etwa jene Fluchtafel, die einem Dieb eines Gefäßes den Tod wünscht:
„Heiliger Dis Pater, Veracura und Cerberus, steht mir bei, du, der die Schwellen der Unterwelt oder (sowohl) der Oberwelt hält. […]
Ich flehe euch an, bewirkt, dass Eudemus … so schnell wie möglich ins Reich der Unterwelt gelangt. Innerhalb von neun Tagen möge er das Gefäß zurückbringen, ich verfluche Eudemus. Tötet ihn mit dem schlimmsten Tod. Führt denselben hinab zu den Unterirdischen, bindet ihn mit den Händen, zu Diensten der Götter der Unterwelt. Möge er so schwer wie dieses Stück Blei hier sein, so möget auch ihr, wütend auf Eudemus, ihn hinabstoßen zwischen die Totengeister … so möge dies so schnell wie möglich geschehen!“ (Übersetzung Egger 1926)
Gegenstand und strafrelevanter Vorwurf: … vasum(!) reponat … / (gestohlenes) Gefäß … zurückbringen
von der/den Gottheiten) erwünschte Sanktion: ... nec[eti]s eum pes(s)imo leto, ad inf[er]os d[uca]tis ... / bringt ihn um auf barbarischste Weise, (dann) führt ihn in die Unterwelt
Angerufene Gottheiten: Dis Pater, Herecura, Cerberus
Fundort: Carnuntum (Bad Deutsch-Altenburg) - Ende 2. Jh. n. Chr. (AE 1929, 228)
Korruption war auch im Militär und in der Verwaltung ein Problem, das das Vertrauen der Bevölkerung in die staatlichen Institutionen schwächte. Auch religiöse und sexuelle Vergehen wurden in den römischen Rechtstexten thematisiert und oft hart bestraft. Religiöse Vergehen, insbesondere gegen offizielle Kulte oder abweichende Glaubensrichtungen wie das frühe Christentum, wurden streng bestraft, was auf das Bedürfnis nach sozialer und religiöser Ordnung hinweist. Die Kriminalität im Römischen Reich war durch eine große regionale und soziale Vielfalt gekennzeichnet. Während städtische Gebiete durch bauliche Schutzmaßnahmen und ein ausgeprägtes Rechtssystem eine gewisse Sicherheit bieten konnten, waren ländliche und abgelegene Gebiete kriminellen Elementen oft schutzlos ausgeliefert.
Weiterführende Literatur:
M. Reuter (Hrsg.), Gefährliches Pflaster. Kriminalität im Römischen Reich, Xantener Berichte 21 (Mainz am Rhein 2013).